Weltfrauentag 2018
Exklusiv Interview mit Ana Cidre, erfolgreiche Web-Developerin und Google Techmaker Leader
Angetrieben von der Überzeugung, dass vielfältige Perspektiven zu besseren Entscheidungen und passenderen Produkten führen, hat Google im Jahre 2012 das „Women Techmakers“ Programm ins Leben gerufen. Es ist ein weltweites Projekt, um Frauen zu unterstützen und sie zu ermutigen, ihre technischen Karrieren zu verfolgen und ihre Ziele zu übertreffen. Ana Cidre wurde als Google Techmaker Leader ausgezeichnet. Dadurch hat sie die Möglichkeit eigene Events zu organisieren, bei denen Frauen im Mittelpunkt stehen, wie sie uns im Interview erzählte.
Der Weltfrauentag ist jedes Jahr aufs Neue ein besonderer Anlass, um auf die Veränderung des Ansehens der Frau in unserer Gesellschaft zurückzublicken und gleichzeitig auch auf das zu schauen, was sich noch ändern muss. Denkt man in unserer Branche zum Beispiel an den Job des Programmierers und Entwicklers, hat man häufig das klassische Bild von einem Mann im Kopf, der mit angestrengtem Blick auf Nullen und Einsen auf seinem Display schaut. Das sich dieses Bild ändern muss, beweist Ana Cidre, eine erfolgreiche Web-Entwicklerin und Google Techmaker Leader, die mit uns über ihr Leben und ihre Meinung zum Weltfrauentag gesprochen hat.
10 spannende Fragen an eine von Google ausgezeichnete „Women Techmaker Leader“ und Web-Developerin, die du so noch nicht gehört hast.
1. Wie ist Ihr Weg zum Erfolg verlaufen?
Zunächst würde ich mich selbst nicht als erfolgreich bezeichnen. Ich bin eine Junior Entwicklerin und liebe meinen Job. Ich musste viele Sachen ausprobieren um dorthin zu kommen, wo ich jetzt bin. Ich habe einen Bachelor of Fine Arts (BFA) und einen Master Abschluss in International Business Economics and Management (MIBEM). Während meines Musterstudiengangs habe ich dann mit Web Design begonnen.
Als Web Designerin fühlte ich mich eingeschränkt und hatte das Gefühl, das etwas fehlt. Also entschied ich, mich an eigenen Programmierungen zu versuchen. Das war der Punkt, an dem ich begriff, dass das genau das ist, was ich machen wollte. Es gibt nichts Spannenderes, als ein paar Zeilen Code zu schreiben und zu sehen, wie das Ergebnis magisch auf dem Bildschirm auftaucht.
Ich hatte auch zuvor immer schon großes Interesse an Technologien. Seit ich 8 Jahre alt bin, habe ich einen Computer zuhause und habe seitdem auch immer die neusten Gadgets. Mit 11 Jahren habe ich meinen eigenen Computer gebaut, den habe ich heute noch, aber benutze ihn nicht – da er viel zu langsam ist!
Da ich mittlerweile ein 3-jähriges Kind habe, habe ich mich entschlossen, mich selbstständig zu machen und es läuft ziemlich gut. Ich habe an allerlei interessanten Projekten gearbeitet und mit der Zeit die Entwicklung von Web Anwendungen – anstelle von statischen Webseiten – immer mehr für mich entdeckt. Nun gründen Orestes Carracedo, ein guter Freund von mir, und ich gemeinsam eine Software-Agentur, ausgerichtet auf Angular.
2. Hatten Sie das Gefühl als Frau benachteiligt zu sein oder es schwerer zu haben?
Ich persönlich habe mich als Frau nie benachteiligt gefühlt und ich glaube auch nicht, dass die Tatsache, dass ich eine Frau bin, meinen Erfolg beeinflusst. Die Entwickler, die ich auf großen Konferenzen getroffen habe, haben mich stets als eine von ihnen betrachtet und mich mit Respekt behandelt. Auf kleineren Tech-Events, an denen wenig Frauen teilnehmen, erkennt man trotzdem manchmal, dass die Männer das nicht gewohnt sind.
3. Was bedeutet für Sie der Weltfrauentag, auch in Bezug auf Frauen in der Welt der Entwickler?
Der Weltfrauentag gilt für mich einerseits als Andenken an all das was getan wurde, um uns dorthin zu bringen wo wir jetzt sind. Andererseits aber auch als Erinnerung daran, dass es auch noch vieles gibt, was getan werden muss.
Dieses Jahr wurde ich gebeten, einige Vorträge anlässlich des Weltfrauentages zu halten und ich frage mich, warum wir solche Vorträge nicht das ganze Jahr über halten.
In der Welt der Entwickler sind Frauen immer noch eine Minderheit. Trotzdem ist es schön zu sehen, was anlässlich des Weltfrauentages in der Entwickler Welt geschieht – es gibt weltweit hunderte von Tech-Events für Frauen. Bei diesen Events werden Vorträge ausschließlich von Frauen gehalten und auch ich organisiere dieses Jahr meine erste eigene Konferenz. Besonders nachdem ich von Google als „Women Techmaker Leader“ ausgezeichnet wurde, ist es mir eine große Ehre die Möglichkeit zu haben, eine solche Konferenz gemeinsam mit meinem Partner Orestes Carracedo in Vigo (Galizien, Spanien) organisieren zu dürfen.
4. Was würden Sie anderen Frauen raten, die einen ähnlichen Karriereweg einschlagen möchten, aber sich noch nicht getraut haben?
Macht es einfach! Es gibt hunderte von Frauen (und Männer), die bereit sind zu helfen. Wir haben eine großartige Online Community für weibliche Techmaker. Es ist ein sicherer Ort für Frauen, die Anfänger, auf mittlerem Level oder Profis sind. Die Community besteht aus tausenden von uns und wir haben sogar einen Slack-Channel, in dem wir einander aushelfen.
Habt keine Angst zu fragen. Dies ist eines der Dinge, die ich am meisten an der Entwickler Community liebe: Es gibt immer jemanden, der dir deine Frage beantwortet. Sieh dir beispielsweise Stack Overflow an: wenn deine Frage nicht schon beantwortet wurde, poste sie dort und warte einfach ab. Wenn du einen persönlicheren Ansatz bevorzugst, würde ich dir Twitter empfehlen. Viele Entwickler haben die „direkte Nachricht“ Funktion eingeschaltet, nur damit sie helfen können, wenn jemand eine Frage hat.
Außerdem sind wir keine Freaks, die den ganzen Tag an ihren Computern sitzen, ihre Screens anstarren und Chips essen. Jeder von uns ist anders und auch wenn es für die meisten von uns ein Job ist, lieben wir das, was wir tun!
5. Welcher Moment war prägend für Sie als Karrierefrau?
Ich würde sagen, das war der erste Vortrag, den ich jemals als Entwicklerin gehalten habe. Warum mich dieser Moment verändert hat? Der Organisator dieses Vortrags war mein Freund und heutiger Business Partner Orestes und so habe ich ihn kennengelernt. Dank dieses einen Vortrags, habe ich den Mut bekommen, noch viele weitere Vorträge zu halten. Orestes ist zudem seither mein Mentor und hat mir geholfen, mich weiter zu verbessern.
6. Welchen Ratschlag haben Sie zu Anfang ihrer Karriere bekommen, der Sie noch heute begleitet?
Gib nicht auf. Es wird Momente geben, in denen du Codes hasst, weil sie nicht funktionieren und du nicht verstehst wieso; mach trotzdem einfach weiter.
Diese Momente gibt es wirklich täglich, aber genau darum geht es beim Programmieren – unentwegt Probleme lösen. Es gibt viele Momente in denen ich aufgeben möchte, aber dann erinnere ich mich daran, dass es uns allen so geht und so mache ich mich wieder an die Arbeit.
7. Was wünschen Sie sich für sich und andere Frauen für die Zukunft?
Ich möchte meine Programmierkenntnisse erweitern. Dafür muss ich einfach weiter das tun, was ich momentan mache. Programmieren ist nicht etwas, was man von heute auf morgen perfekt beherrscht. Übung macht den Meister und wenn es ums Programmieren geht, braucht man genau das – Übung.
Meinen Kolleginnen wünsche ich ein faires Umfeld und erfolgreiche Karrieren. Auch wenn es mir selbst nie so ging, wurden viele meiner Freunde ungleich behandelt. Und das wünsche ich keinem.
8. Gibt es irgendwelche Vorurteile über Frauen in der Entwicklerwelt? Wenn ja, wie gehen Sie damit um?
Normalerweise werden Frauen in der Welt der Entwickler als die angesehen, die sich um das Design kümmern. Manche haben sogar das Programmieren aufgeben, um nur im Design-Bereich zu arbeiten. Design ist ein sehr kompliziertes Thema und es gibt viele männliche wie auch weibliche Designer die großartig sind, genauso wie es auch großartige Programmierer gibt. Wir alle müssen die Freiheit haben uns auszusuchen, was wir machen, und nicht aufgrund unseres Geschlechts in bestimmte Arbeitsfelder kategorisiert werden.
Ich selbst erkläre meinen Kollegen von Anfang an, in welchem Rahmen ich arbeite, um Missverständnisse zu vermeiden.
9. Welche Veränderungen würde Sie gerne für Frauen in der Tech-Welt sehen?
Gleichberechtigung – in der Bezahlung, in den Job Positionen, in Allem!
Ich möchte, dass Frauen und Männer zukünftig gleichberechtigt sind. Viele Leute fragen mich, ob das damit zu tun hat, dass ich jetzt eine Tochter habe. Auch wenn das natürlich eine große Rolle spielt, wollte ich immer in einer Welt leben, in der mehr Gleichberechtigung herrscht.
10. Wer ist Ihr persönliches Vorbild?
Ich habe viele Vorbilder, da ist es schwierig, nur eine Person auszuwählen – ich beschränke es mal auf zwei: Paola Garcia und Tracy Lee.
Paola Garcia, weil sie eine ausgezeichnete Software-Entwicklerin ist und weil sie ihr kleines Kind überall mit hinnimmt. Sie bringt ihre Tochter zu jeder Konferenz mit, an der sie teilnimmt und das hat mich mehr als einmal fasziniert. Sie zeigt anderen Frauen, dass man eine Entwicklerin und gleichzeitig eine Mutter sein kann.
Tracy Lee, weil sie eine der besten Angular-Entwicklerinnen ist, die ich kenne und sie einfach großartig ist. Sie tut sehr viel für ihre Angular-Community, sie ist Teil des RxJS Core-Teams und eine Google Developer Expertin.